Da konnte ich im vergangenen Jahr stolz berichten, dass Dresden in die
UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurde und dann das: Dresden steht auf der Roten Liste der bedrohten Welterbe. Dort stehen sonst eher Stätten in Ländern, die unter Diktatur leiden oder Kulturgütern generell keinen Schutz gewähren, beziehungsweise ihr Geld in Rüstung stecken.
Doch warum steht Dresden dort? Vor über zehn Jahren wurde der Bau einer Elbbrücke beschlossen. Die Waldschlösschenbrücke geht nun quer durch jenes Elbtal, das im vergangenen Jahr wegen seiner unvergleichlichen Kulturlandschaft von der UNESCO geehrt wurde. Wie bereits berichtet, gab es einen Bürgerentscheid, in dem die Mehrheit der Dresdner für die Brücke ihre Stimme abgab. Davon, dass die Brücke den Welterbestatus bedrohen könnte, wusste damals niemand etwas. Nicht einmal die UNESCO wusste Bescheid, war die Elbquerung doch in einer Übersicht falsch lokalisiert worden (im Gesamtgutachten standen die korrekten Angaben, doch war es für viele wohl zu mühsam, die ausführliche Version zu lesen). Und dann gab es da noch Günther Blobel, seines Zeichens ein Nobelpreisträger, der aus Dresden stammt, aber schon längst nicht mehr hier wohnt. Er warnte früh vor der Brücke und verteufelte sie als Zerschandelung des Elbtals.
Hier kommen wir zu einem grundsätzlichen Problem dieser Weltkulturerbeliste. Über zwei Drittel der aufgenommenen Orte liegen in Europa. In Europa aber investieren die meisten Länder viel Geld in den Erhalt kultureller Güter, auch Ruinen. Nicht nur aus Vergangenheitsliebe, sondern auch aus geschäftlichen Interessen, weil schließlich viele Touristen von überragenden Kulturdenkmälern angelockt werden. Es wird aber auch viel Geld in Infrastrukturmaßnahmen, Wirtschaft und Architektur investiert. Die meisten Gebiete und Gebäude auf der Liste wollen sich weiterentwickeln und kein Museum sein. In Dresdens Fall wurde auch ausdrücklich von einer sich entwickelnden Landschaft gesprochen, ohne diese Formulierung näher zu definieren. Doch während anderswo Kulturdenkmäler aus politischen oder religiösen Gründen wirklich bedroht sind, braucht es in Europa so genannte Intellektuelle, die als Bedenkenträger auftreten und Entwicklungen nach Ästhetischen Kriterien beurteilen, um Alarm bei der UNESCO zu schlagen.
Aber die Debatte um die ästhetische Bedeutung der Waldschlösschenbrücke allein hätte Dresden nicht auf die Rote Liste gebracht. Es brauchte in Vilnius vor zwei Wochen noch einen norwegischen Kommissar, der Stimmung gegen Dresden machte, damit die Delegierten der UNESCO überzeugt wurden, im Elbtal einzuschreiten.
In Dresden läuft nun die Debatte, ob er Welterbetitel wirklich gebraucht wird. Eine weitere Eskalation wurde vorläufig vermieden, indem der Baustart für die Brücke weiter verzögert wurde. Aber viele (politisch vor allem CDU und FDP) pochen auf die Gültigkeit des Bürgerentscheids und wollen bauen. Lokal gesehen, ist der Titel für viele nicht so wichtig. Für den Tourimus bringt er fast nichts und ein Alleinstellungsmerkmal ist er auch nicht mehr, bei der großen Zahl von aufgenommenen Stätten. National und international wäre die Streichung Dresdens von der Liste allerdings eine Katastrophe, da bislang noch kein aufgenommener Ort wieder gestrichen worden ist. Dass ausgerechnet Deutschland diese Schmach erleiden soll, wollen bundesweit sicher nicht sehr viele Menschen.
Wir werden sehen, ob sich am Ende das internationale Prestige als übergeordnet erweist (schließlich ist Deutschland Vertragspartner der UNESCO) oder lokale Interessen.